Dienstag, 11. März 2014

Literatur – ein blühendes Feld





                                                                                                                                   Bildquelle: eigene
 

Ein paar Gedanken über Kunst und Vielfalt

Stellen Sie sich eine blühende Wiese vor, in allen Farben des Regenbogens und allen möglichen Varianten natürlicher Geometrie. Behalten Sie dieses Bild so lange wie möglich vor Ihrem inneren Auge. Wie wirkt es sich aus? Sie werden vermutlich immer mehr Details entdecken, Abstand nehmen, wieder näher hinsehen, die Blickrichtung wechseln und immer wieder Neues entdecken. Lassen Sie dieses Bild wieder los und stellen Sie sich ein knallblaues Kornblumenfeld oder eine ganze Wiese voll roten Klatschmohns vor. Zunächst wirkt eine solch harmonische Einheit beeindruckend, befriedigt den Sinn für Ordnung und Ästhetik. Doch sieht man zu lange hin, kann das immer gleichbleibende innere Bild langweilig wirken oder gar störend wirken. Landschaft ist Kunst – Kunst der Natur und Evolution, und je vielfältiger sie uns erscheint, desto mehr Spuren hinterlässt sie im Geist des Betrachters. Einheit bewirkt erst einmal Harmonie, doch auf die längere Sicht kann ständige Gleichförmigkeit auch Gleichgültigkeit erzeugen. Nicht umsonst lieben Kunstkenner sowohl die zarten Nuancen klassischer Malerei als auch unkonventionellere Formen der (post-) modernen Avantgarden.

Literatur – als Teil der Kunst – ist ebenso in ständigem Wandel begriffen. Jedes Werk, ob Bestseller, kanonisches Werk, Klassiker oder als unanständig oder unbedeutend verschmähter Erstling, erwächst als zarte, ganz individuelle Blume im Geist eines oder einer Literaturschaffenden. Manche Pflanze wird hierbei strahlend bunte Blüten treiben und das Licht der Sonne nur so anziehen, manche langlebig, zeitlos schön und allen Widerständen zum Trotz ihre vorgesehene Zeit- und Bedeutungsspanne unerwartet weit überleben. Der Bestseller (der die Pressescheinwerfer nur so anzieht) und der Klassiker (der Epochen später noch Bedeutung hat) überschatten aber hierbei eine Menge anderer literarischer Keimlinge, die, wenn vernachlässigt, im Keim erstickt werden oder in der Masse der Bedeutungslosigkeit versinken, ohne dass sie jemals das Licht sehen.

Man könnte nun argumentieren, dies sei die natürliche Selektion: Only the fittest survive. Man könnte andersherum auch über diese moderne Zeit lamentieren, in der „wahre“ Kunst ausschließlich noch als „Ware“ Kunst betrachtet wird. Durchkalkuliert von Ökonomen, angepasst an Konsumentenanforderungen, berechenbar, entweder auf den Status eines (angestaubten) Klassikers getrimmt oder für ein „durchschnittliches“ Lesepublikum vereinfacht und abgeflacht. Rational und nüchtern betrachtet, sind beide Extreme zu kurzsichtig gedacht. Das Zauberwort lautet Vielfalt, oder auch: Diversity. Literarische (Stil-) Blüten, die das Potential zum Strahlen und Leuchten haben, müssen weiterhin die Möglichkeit dafür bekommen – seien sie nun zeitlos oder eine literarische Mode. Es darf jedoch auch in keiner Art und Weise eine Monokultur entstehen, die unkonventionelle, divergente Pflanzen im Keim erstickt oder als Unkraut bedeutungslos erscheinen lässt.

Eine Landschaft wird uninteressant und ein natürliches Ökosystem stirbt aus, wenn Monokulturen überhand nehmen, wenngleich die negativen Effekte von absoluter Uniformität nicht sofort sichtbar und spürbar sind. Ebenso ergeht es Kunst und Kultur. Eine Regierung braucht ihre Opposition, jeder literarische Diskurs eine Vielzahl von Aussagen und Standpunkte, um noch bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Es braucht den Einsatz aller am Literaturbetrieb Beteiligten, Vielfalt zu erhalten, um die zarten Pflänzchen im Geist neuer, bisher unbekannter oder vernachlässigter, aber auch etablierter und gut situierter Autorinnen und Autoren zu pflegen und ihnen die Chance zu geben, in allen Farben des Regenbogens und Formen des Universums erblühen zu lassen. Ein wenig utopisch, zugegeben: Aber das Prinzip Vielfalt erfordert es, ihnen zumindest faire Chancen zu ermöglichen, ans Tageslicht zu kommen und die Kruste überholter Traditionen und Kategorisierungen zu durchbrechen. Ob es gelingt, die Literaturlandschaft facettenreich zu erhalten und einem ständig wachsenden Druck zur Gleichfarbigkeit und Einförmigkeit zu widerstehen, liegt auch am Mut zum Neuen, den viele junge Autoren aufbringen. Der Erfolg dieses Unternehmens steht und fällt aber auch mit den „Gärtnern“ dieser bunten Blumenwiese, den Lektoren, Verlegern und Illustratoren.


                                                               Anna Katherina Ibeling
Lektorat Moon House Publishing

2 Kommentare:

  1. :))) mir fehlen die Worte! Was für ein Posting, was eine Ausdruckskraft. Stelle ab sofort mein kleines Lichtlein wieder unter einen riesengrossen Scheffel, da hab' ich noch viel zu lernen. LG Wolfgang

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  2. Ach komm, ich werd hier noch rot *lach*. Nein, Spaß beiseite. Jeder hat seinen eigenen Schreibstil und das ist auch gut so. Bei technischen und wirtschaftlichen Be-Schreibungen würde ich wahrscheinlich etwas älter aussehen als ihr alle, obwohl ich die Jüngste bin ;).

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