Stellen Sie sich eine
blühende Wiese vor, in allen Farben des Regenbogens und allen
möglichen Varianten natürlicher Geometrie. Behalten Sie dieses Bild
so lange wie möglich vor Ihrem inneren Auge. Wie wirkt es sich aus?
Sie werden vermutlich immer mehr Details entdecken, Abstand nehmen,
wieder näher hinsehen, die Blickrichtung wechseln und immer wieder
Neues entdecken. Lassen Sie dieses Bild wieder los und stellen Sie
sich ein knallblaues Kornblumenfeld oder eine ganze Wiese voll roten
Klatschmohns vor. Zunächst wirkt eine solch harmonische Einheit
beeindruckend, befriedigt den Sinn für Ordnung und Ästhetik. Doch
sieht man zu lange hin, kann das immer gleichbleibende innere Bild
langweilig wirken oder gar störend wirken. Landschaft ist Kunst –
Kunst der Natur und Evolution, und je vielfältiger sie uns
erscheint, desto mehr Spuren hinterlässt sie im Geist des
Betrachters. Einheit bewirkt erst einmal Harmonie, doch auf die
längere Sicht kann ständige Gleichförmigkeit auch Gleichgültigkeit
erzeugen. Nicht umsonst lieben Kunstkenner sowohl die zarten
Nuancen klassischer Malerei als auch unkonventionellere Formen der
(post-) modernen Avantgarden.
Literatur – als Teil
der Kunst – ist ebenso in ständigem Wandel begriffen. Jedes Werk,
ob Bestseller, kanonisches Werk, Klassiker oder als unanständig oder
unbedeutend verschmähter Erstling, erwächst als zarte, ganz
individuelle Blume im Geist eines oder einer Literaturschaffenden.
Manche Pflanze wird hierbei strahlend bunte Blüten treiben und das
Licht der Sonne nur so anziehen, manche langlebig, zeitlos schön
und allen Widerständen zum Trotz ihre vorgesehene Zeit- und
Bedeutungsspanne unerwartet weit überleben. Der Bestseller (der die
Pressescheinwerfer nur so anzieht) und der Klassiker (der Epochen
später noch Bedeutung hat) überschatten aber hierbei eine Menge
anderer literarischer Keimlinge, die, wenn vernachlässigt, im Keim
erstickt werden oder in der Masse der Bedeutungslosigkeit versinken,
ohne dass sie jemals das Licht sehen.
Man könnte nun
argumentieren, dies sei die natürliche Selektion: Only the
fittest survive. Man könnte andersherum auch über diese moderne
Zeit lamentieren, in der „wahre“ Kunst ausschließlich noch als
„Ware“ Kunst betrachtet wird. Durchkalkuliert von Ökonomen,
angepasst an Konsumentenanforderungen, berechenbar, entweder auf den
Status eines (angestaubten) Klassikers getrimmt oder für ein
„durchschnittliches“ Lesepublikum vereinfacht und abgeflacht.
Rational und nüchtern betrachtet, sind beide Extreme zu kurzsichtig
gedacht. Das Zauberwort lautet Vielfalt, oder auch: Diversity.
Literarische (Stil-) Blüten, die das Potential zum Strahlen und
Leuchten haben, müssen weiterhin die Möglichkeit dafür bekommen –
seien sie nun zeitlos oder eine literarische Mode. Es darf jedoch
auch in keiner Art und Weise eine Monokultur entstehen, die
unkonventionelle, divergente Pflanzen im Keim erstickt oder als
Unkraut bedeutungslos erscheinen lässt.
Eine Landschaft wird
uninteressant und ein natürliches Ökosystem stirbt aus, wenn
Monokulturen überhand nehmen, wenngleich die negativen Effekte von
absoluter Uniformität nicht sofort sichtbar und spürbar sind.
Ebenso ergeht es Kunst und Kultur. Eine Regierung braucht ihre
Opposition, jeder literarische Diskurs eine Vielzahl von Aussagen und
Standpunkte, um noch bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Es braucht
den Einsatz aller am Literaturbetrieb Beteiligten, Vielfalt zu
erhalten, um die zarten Pflänzchen im Geist neuer, bisher
unbekannter oder vernachlässigter, aber auch etablierter und gut
situierter Autorinnen und Autoren zu pflegen und ihnen die Chance zu
geben, in allen Farben des Regenbogens und Formen des Universums
erblühen zu lassen. Ein wenig utopisch, zugegeben: Aber das Prinzip
Vielfalt erfordert es, ihnen zumindest faire Chancen zu ermöglichen,
ans Tageslicht zu kommen und die Kruste überholter Traditionen und
Kategorisierungen zu durchbrechen. Ob es gelingt, die
Literaturlandschaft facettenreich zu erhalten und einem ständig
wachsenden Druck zur Gleichfarbigkeit und Einförmigkeit zu
widerstehen, liegt auch am Mut zum Neuen, den viele junge Autoren
aufbringen. Der Erfolg dieses Unternehmens steht und fällt aber auch
mit den „Gärtnern“ dieser bunten Blumenwiese, den Lektoren,
Verlegern und Illustratoren.
Lektorat
Moon House Publishing
:))) mir fehlen die Worte! Was für ein Posting, was eine Ausdruckskraft. Stelle ab sofort mein kleines Lichtlein wieder unter einen riesengrossen Scheffel, da hab' ich noch viel zu lernen. LG Wolfgang
AntwortenLöschenAch komm, ich werd hier noch rot *lach*. Nein, Spaß beiseite. Jeder hat seinen eigenen Schreibstil und das ist auch gut so. Bei technischen und wirtschaftlichen Be-Schreibungen würde ich wahrscheinlich etwas älter aussehen als ihr alle, obwohl ich die Jüngste bin ;).
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